Samstag, 9. Juli 2016

Der Scharfrichter in der Geschichte - Memmingens Scharfrichter - Teil 3

Jakob Deibler (Teübler), ab 1571

Am 5. Oktober 1571 wurde für Jakob Deibler der Bestallungsbrief ausgeschrieben und erfuhr eine wesentliche Änderung.
Hatten seine Vorgänger das Recht, selbst zu kündigen, sogar unter Wahrung einer festgelegten Kündigungsfrist, so wurde sein Kündigungsrecht aufgehoben. Das Kündigungsrecht der Stadt wurde aufrecht erhalten.

1578 kam es zu einem schlimmen Eklat. Da der Scharfrichter bis dahin in seinem Haus eine Schenke betreiben durfte, fand in seinem Haus ein öffentlicher Tanz statt. Dafür wurde der Scharfrichter mit dem Verlust der Schankerlaubnis bestraft, womöglich auch gekündigt. Die Bürger, die an dem Tanzvergnügen teilgenommen hatten, wurden ebenfalls bestraft, soweit man ihrer habhaft wurde. Sie zahlten ein Bußgeld von 4 Gulden.


Jacob Kester, 1579 - 1606

Besagter Jacob Kester scheint ein geschäftstüchtiger Mann gewesen zu sein. Er beanspruchte nicht nur die einträgliche Abdeckerei, die sehr begehrt war, da sie gute Einnahmen brachte, für sich, er bekam sie auch zugesprochen. Er durfte, gegen gesonderte Bezahlung, Pferden und Rindern, die auf dem Feld starben, die Haut abziehen. Waren die Tiere gesund, konnte er sogar die Felle und das Roßhaar verkaufen. Eine Eingabe von 1589 vermerkt, dass Kester den Seilern Roßhaar verkaufte, ein Monopol darüber beanspruchte und es erhielt.


Bartholomäus Deibler (Teubler), 1607 - 1637

Am 24. Januar 1607 erhielt Bartholomäus Deibler seinen Bestallungsbrief für die Memminger Scharfrichterei.

Folgende Änderungen wurden darin festgehalten:

- Verpflichtung, zwei Hetzhunde und vier Jagdhunde zu halten ( für die sog. "Hundstage")
- Urlaub und Reisen bedurften einer Genehmigung
- keine Kündigungsfrist, gültig für beide Seiten
- die Erlaubnis, als Tierarzt tätig zu sein
- das ausdrückliche Verbot, für Menschen ärztlich tätig zu sein

Wie sich das Reiseverbot auswirkte, zeigt folgender Fall.
Als der Mann seiner Tochter, der Scharfrichter in Salzburg war, auf der Reise von Memmingen nach Salzburg ertrunken war und Deibler zu seiner Beerdigung reisen wollte, erhielt er die Reiseerlaubnis nur sehr zögernd.

Deibler muß, trotz des ausdrücklichen Verbots Menschen zu behandeln, immer wieder in dem Bereich tätig gewesen sein. Das war aber auch kein Wunder, denn arme Leute und mitunter auch betuchte Bürger, suchten bei Krankheiten den Scharfrichter gerne auf, da er in der Regel ein kompetenter Heilpraktiker war. Seine Kenntnisse der Kräuter und Pflanzen, sowie der Anwendung, gepaart mit vorzüglichen anatomischen Kenntnissen, sprachen für sich.

Am 21. Juli 1637 wurde es dem Rat der Stadt dann zuviel. Er wurde gekündigt, " weil er sich des Arzneiens nit enthalten kann". Vorausgegangen war der Selbstmord des Sohnes des Buxheimer Müllers, den Deibler in der Obhut hatte.
Ihm wurden vier Wochen Zeit gelassen, die Stadt zu verlassen.

Sonntag, 5. Juni 2016

Der Scharfrichter in der Geschichte - Memmingens Scharfrichter - Teil 2

Hans Deibler (Teubler, Teübler)  1561 - 1571

Hans Deibler wurde zu den schon bekannten Bedingungen von der Stadt angestellt, sein Bestallungsbrief wich von dem seines Vorgängers nicht ab.
Außerdem:

- hatte das Recht, sein Vieh auf bestimmten stadteigenen Wiesen weiden zu lassen

- und konnte in dem zum Amtshaus zugehörigen Garten Gemüse für den eigenen Bedarf anbauen.

Er erhielt zusätzlich die Amtsgewalt für die Territorien von Weißenhorn, Babenhausen und Kirchheim. 
Diese Gebiete befanden sich im Besitz der Familie Fugger-Glött, die mit der Stadt und Deibler einen Vertrag abschlossen. 
Dieser Vertrag beinhaltete folgende Punkte:

- ein Pferd wird für seine Reisen zu den oben genannten Orten zur Verfügung gestellt
- ebenso ein Geleitsmann
- ein Tagegeld von 40 Kreuzern
- Ausführung einer Hinrichtung: pro Person 1 Gulden
- bei verbrennen/ertränken/lebendig begraben: pro Person 3 Gulden
- die Gemeinde Weißenhorn bezahlt ihm ein Jahresgehalt von 20 Gulden 

Zusammen mit seiner Entlohnung, die er von der Stadt erhielt, verfügte Deibler über ein komfortables Einkommen.

Er mußte davon aber nicht nur seine Familie ernähren, sondern auch seine Knechte und Mägde bezahlen.
Außerdem war es üblich, dass er einen "Vetter", wenn er auf der Durchreise, krank oder verletzt war, in seinem Haus beherbergen, verköstigen und unter Umständen pflegen mußte.
Auch Henkersgesellen mußten, bevor sie ihren Meister machen durften, auf Wanderschaft gehen, um zu lernen. Auch sie mußten bezahlt, beherbergt und verköstigt werden.

Er war aber nicht "ehrlich" und auch kein Bürger der Stadt. Wobei die Verleihung der Bürgerrechte, die es in Abstufungen gab, im Ermessen der Stadt lag und einen Consens erforderlich machte.
Die Bürgerrechte machten aber nicht automatisch ehrlich, das konnte nur ein Bürgerbrief des Kaisers. 

In die Amtszeit von Hans Deibler fielen zwei Hexenprozesse, über die ich noch gesondert berichten werde.

Folgende Verordnung wurde in seiner Amtszeit noch einmal ausgesprochen: mit ihm zu essen, zu trinken, zu spielen oder um seine Tochter zu freien, konnte zu einer Geldstrafe oder zur Entlassung aus der Zunft führen.

Im Originaltext liest es sich wie folgt:
" Welcher mit einem unredlichen, als da sind Nachrichter und sein anhang, essen, trickhen, spilen und daß banckhetierens....der soll zur straff geben 4 Schillinge."

Hans Deibler ist der Gründer der Henkersdynastie Deibler, die in Frankreich tätig war. Die prominentesten Vertreter waren Louis und Anatole Deibler.

Montag, 16. Mai 2016

Der Scharfrichter in der Geschichte - Memmingens Scharfrichter - Teil 1

Die Einleitung zu diesem Kapitel bildet eine alte Memminger Sage: Die verhexten Münzen

Im meiner Heimatstadt fand ein Mädchen in dem Alter, als die Kinder zum ersten Mal das Abendmahl empfangen, auf dem Kirchweg eine knopfgroße, silberglänzende Münze. Es hob sie auf und steckte sie in den Rocksaum. Kurz nachdem es heimgekommen war, war das Kind plötzlich an beiden Beinen gelähmt. Weder Doktor noch Bader, die man rief, wussten Rat.
Da ließ man den Scharfrichter kommen. Der nahm schnurstracks den Rock vom Rahmen, holte den Silberknopf aus dem Saum, warf ihn ein paar Mal auf den Tisch und sagte lachend: „Hört, wie das Silber klingt!" Aber das war Spott, denn jedes Mal, wenn das Geldstück den Tisch berührte, klang es durchs Haus wie Donnerrollen, und alle bekamen es mit der Angst zu tun. 
Der Scharfrichter aber ließ sich eine Feile geben, machte die Münze zu Spänen und ließ diese das kranke Mädchen in einem Glas Wein trinken. Alsbald kroch der Gelähmten eine kleine schwarze Schlange aus dem Leib. Die schlug der Henker tot und warf sie ins Feuer. Vom gleichen Augenblick an konnte das Kind wieder gehen und war gesund wie zuvor. Der Scharfrichter gab ihm nun den Rat, es solle in der Kirche auf die Person achten, die Kopf und Hände verbunden habe; von dieser nämlich komme das Hexenwerk. Jetzt aber seien ihr beim Verbrennen der Schlange Wunden geblieben.
Wie erstaunte das Mädchen, als es anderntags in der Kirche seine eigene Base in dieser Aufmachung erblickte. Als die Leute dem Scharfrichter danken und ihn belohnen wollten, lehnte er ab. Man solle lieber jedes Mal, wenn er einem armen Sünder den Kopf abschlagen müsse, für ihn und sein Opfer ein Vaterunser beten.

Diese Sage, so klein und unscheinbar sie auch sein mag, gibt doch verschiedene Sichtweisen auf den hiesigen Amtsinhaber wieder:

-          er war ein Mann, dem man vertraute, wenn es um magische Praktiken oder Hexerei ging
-          man ließ ihn ins Haus kommen, obwohl er als unehrlich galt
-          er war ein frommer Mann, der statt einer Belohung um ein „Vaterunser“ bat


Der genaue Zeitpunkt, zu dem ein Scharfrichter in Memmingen angestellt wurde, ist unbekannt. Es muß aber aber der Mitte des 15. Jahrhunderts gewesen sein, jedenfalls erwähnt die Stadtchronik 1428 einen „Meister Hans“.
Memmingen besaß zu diesem Zeitpunkt neben dem „Blutbann“ auch die „Niedrige“ und „Hohe Gerichtsbarkeit“. Zudem muß die Stadt vermögend gewesen sein, denn nur reiche Städte konnten sich einen Scharfrichter leisten.

Das es einen Scharfrichter gab, wenn sein Name auch hinter der Bezeichnung „Meister Hans“ verborgen war, geht aus folgendem Fall hervor.

1518 verdächtigte der Patrizier Jörg Besserer, er hatte im nahe gelegenen Dorf Pleß die Niedergerichtsbarkeit inne, eine Bauersfrau der Hexerei. Ihre Familie stand ohnehin im Verdacht, eine Familie von „Unholden“ zu sein, man war allerdings nie gerichtlich gegen sie vorgegangen.
Der besagte Jörg Besserer wandte sich nun an den Rat der Stadt Memmingen, da Memmingen auch die Hochgerichtsbarkeit inne hatte, und ersuchte darum, dass der Fall untersucht würde.
Da der Memminger Scharfrichter sich überfordert fühlte, oder einfach nicht mitmachen wollte, wandte sich die Reichsstadt an die beiden habsburgischen Landstädte Saulgau und Waldsee im alten Einfluß der päpstlichen Inquisitoren, wo man mit Hexenprozessen Erfahrung hatte. 
Der Scharfrichter von Saulgau genoß wegen seiner Verhörkunst weithin Berühmtheit und dieser „Hexenmeister“ wurde nun angefordert. Kaum war er in der Reichsstadt angekommen, ließ er sich, auf Kosten der Stadt, neue Folterwerkzeuge anfertigen!
Die nachfolgenden Verhöre wurden offenbar durch ihn bestimmt, da er sich offensichtlich in allen Feinheiten des Hexenprozesses auskannte. Er nutzte Weihwasser, Weihrauch, geweihtes Salz, Rasur, Tränenprobe und die Wiederholung der Tortur „maleficium taciturniatis“. 
Der Rat war aber nicht gewillt, diesen "Spielchen", die zu nichts führten, zuzusehen. Kurzerhand wurde der Saulgauer Scharfrichter entlassen und die Frau, nach einigen Wochen Haft wieder freigelassen.

Wie man sieht, gab es schon lange vor den drei berühmten „Hexenspezialisten“ Kuisl, Hiert und Vollmar,  Scharfrichter, die alte Methoden „wiederbelebten“ und dadurch eine höchst zweifelhafte Kompetenz“ erlangten. 
Das wurde natürlich alles abgerechnet und bezahlt, inclusive Übernachtung, Verpflegung, wobei er bei seinem „Vetter“ unterkam, der dies natürlich abrechnen konnte, und neuer Werkzeuge - ein Schelm, wer Böses dabei denkt....
Jedenfalls scheint dieses Ereignis dem Rat der Stadt eine Lehre gewesen zu sein: nie wieder wurde eine „Hexenmeister“ angefordert.

Doch nun zu den Memminger Scharfrichtern, die urkundlich mit ihren Namen und der Länge ihrer Amtszeit bekannt sind. Das Ende der Amtszeit muß nicht unbedingt den Tod des Amtsträgers bedeuten. Es konnte ebenso ein Stellenwechsel sein, es gab begehrte Stellen im Deutschen Reich, wie z.B. Nürnberg, die Nachrichterstelle überhaupt. Oder der Scharfrichter setzte sich zur Ruhe, ebenso war es möglich, dass er, gegen einen saftigen Batzen Geld, den Bürgerbrief erwarb, der ihn und seine Familie ehrlich machte und andere berufliche Möglichkeiten eröffnete.

Hans Leycham (Leicham, Leichum, Leichnam) – 1553 bis 1561

Meister Hans Leycham trat sein Amt am 17.Juni 1553 an.

In seinem Bestallungsbrief wurden folgende Punkte festgehalten:

-          Grundlohn: wöchentlich 1 Pfund (Silbergeld)
-          Reinigung der Mauern: 5 Schillinge
-          Jährlich: 2 bis 4 Gulden für gute Kleidung
-          Pro Hinrichtung: 5 Schillinge für neue Handsschuhe
-          Pro „schauerliche Hinrichtung“: 2 Gulden
-          Abrechung von Folter und Hinrichtung nach Gebührenkatalog
-          Von den Fuggern darf ein Dienstgeld angenommen werden
-          Freie Dienstwohung
-          Befreiung von den städtischen Steuern
-          An jedem Quatember eine Ladung Brennholz, in „guten Jahren“ eine Ladung mehr
-          Kündigunsfrist: kündigt die Stadt, ein Vierteljahr, kündigt er, ein halbes Jahr.
-          2 Fuder Wein jährlich ( 1 Fuder = 1.800 Liter)

Kurios: 1528 erließ die Stadt für die Bürger ein Verbot, mit dem Scharfrichter sowie seiner Familie zu essen und zu trinken.
Gleichzeitig lieferte die Stadt jährlich 2 Fuder Wein, auf die der Scharfrichter kein Ungeld, also keine Steuer bezahlte. Es war ihm sogar erlaubt, eine Schenke, eine Kneipe, zu betreiben!

Die Schankerlaubnis ist für mich nicht ungewöhnlich, denn schräg gegenüber dem Scharfrichterhaus befand sich das städtische Bordell, dass der Nachrichter ebenfalls beaufsichtigen musste.

Auf dem Bild sieht man an der Stadtmauer oben das stattliche Scharfrichterhaus, mit Garten und Nebengebäuden.
Darunter, das Haus mit den zwei Kaminen, das städtische Bordell.




Was lag näher, vor dem Besuch des Bordells, in Scharfrichters Kneipe „vorzuglühen“ oder, zu später nächtlicher Stunde, bzw. nach dem Bordellbesuch, der nicht als anrüchig galt, noch einen kleinen „Absacker“ zu nehmen?
Mann darf sich das Spätmittelalter nicht als Epoche vorstellen, in der die Menschen überaus fromm und sittlich waren. Das ist ein Bild, das uns die Vorstellung des 19. Jahrhunderts vermittelt hat.

Außerdem stand das Scharfrichterhaus im „unreinen Viertel“, also in der Nachbarschaft der Hübschlerinnen, der Leineweber, usw. und auch diese Menschen wollten gerne in die Schenke gehen; man blieb unter sich.

*Eine Erklärung zu den Geldwerten*

Das Pfund ist ein altes Gewichtsmaß und entsprach 240 Pfennigen. Das entspricht einer heutigen Kaufkraft von ca. 7.000 €.

Der Pfennig hatte eine Kaufkraft von etwa 30 €.

Der Gulden war aus Silber oder Gold und hatte ebenfalls eine gute Kaufkraft.

Der Schilling hatte eine Kaufkraft von etwa 360 €.

Man darf nie vergessen, dass das Geld durch sich selbst gedeckt war, da es aus Silber oder Gold bestand.
Falschmünzerei war ein schweres Delikt und den "Kippern und Wippern" drohten drakonische Strafen, wie etwa das Sieden im heißen Öl, das Abschneiden der Hand sowie der Tod auf dem Scheiterhaufen. 

Sonntag, 15. Mai 2016

Der Scharfrichter in der Geschichte - quasi ein Vorwort

Mit der Figur des Scharfrichters machte ich eigentlich schon in meiner Kindheit Bekanntschaft.
Denn im ehemaligen Scharfrichterhaus meiner Heimatstadt wohnte eine Freundin meiner Großeltern und ich durfte manchmal mit, wenn sie ihre Freundin besuchten. Dort wurde ich, und das ist mir noch gut im Gedächtnis, auf eine etwas komische Weise, anders kann ich es nicht ausdrücken, gefragt, ob ich denn wüßte, was das für ein Haus sei und wer darin schon gewohnt habe. Mir war das eigentlich gleichgültig, denn mehr als die Frage interessierten mich die Kanarienvögel, die so lebendig waren und ein bischen sprechen konnten. Als ich dann ein gelangweiltes "Weiß ich nicht" zur Antwort gab, sagte man mir, dass dies das Scharfrichterhaus sei und darin der Henker gewohnt habe. Auch das interessierte mich nicht, sondern immer noch die Piepmätze, und so antwortete ich lapidar: "Ach so." 
Die Erwachsenen nickten befriedigt, weil ich so schön zugehört und aufgepaßt hatte; was wußten die schon von meinem Interesse an den Kanarienvögeln? 
Ich weiß bis heute nicht, warum es ihnen so wichtig war, mir auf beinahe geheimnisvolle Weise von Haus und ehemaligem Bewohner zu erzählen. Geschichtliches Interesse war es sicher nicht, das war niemandem wichtig, sondern wohl eher ein gewisses Bedürfnis, einem kleinen Mädchen ein bischen Angst zu machen oder zumindest für einige Gruselschauer zu sorgen.

Aber ich wurde älter und ein schier unstillbares Interesse an Geschichte, zunächst die meiner Heimatstadt, später auf viele andere Bereiche, geweckt. 
Meine Neugier zu dieser geschichtlich düsteren Figur wurde über die Lektüre der zweibändigen Geschichte meiner Heimatstadt geweckt. Dort schrieb der Historiker über Hans Leycham, den damaligen Scharfrichter. Eben diesem wurde in seinem Bestallungsbrief eine Kündigungsfrist gesetzt: kündigt er, so beträgt sie ein halbes Jahr, kündigt ihm die Stadt, ein Vierteljahr.
Kündigungsfrist??

Das Bild des Henkers, so wie wir es heute vor Augen haben, entstammt vorwiegend der wild-romantischen Vorstellung des 19.Jahrhunderts: der hochgewachsene, düstere Mann, in Schwarz gekleidet, das Richtschwert in der Hand. Der Mann, der ein wohliges Grausen über den Rücken jagt, auf Grund seiner muskulösen Erscheinung ein heimlicher Frauenschwarm und Frauenverführer.
Doch nichts an dieser wild-romantischen Darstellung, die sehr wohl erotische Untertöne trägt, entsprach der Realität.
Auch ich hatte zu diesem Zeitpunkt dieses klischeehaftes Bild vom düsteren, schwarz gekleideten Mann im Hinterkopf, der am Rande der Gesellschaft stand und gefürchtet war.
Meine Neugier war geweckt und so begann ich, genauer nachzuforschen und dabei war mir die zweibändige Stadtgeschichte zunächst eine große Hilfe.

Ich staunte,denn 

- dem Scharfrichter war nicht nur diese Kündigungsfrist gesetzt, wohl einmalig zu diesem Zeitpunkt, sondern er bekam in seinem Bestallungsbrief, der unbefristet war, im Gegensatz zu vielen anderen Städten die ihn zunächst nur befristet ausgaben

- die Wohnung im Amthaus zugewiesen, das sich hier innerhalb der Stadtmauern befand, im "unreinen" Viertel, gegenüber dem Bordell sowie in nächster Nachbarschaft zu den Leinewebern.
Außerdem verfügte das Amtshaus später über ein eigenes Bad.

- hatte das Recht, sein Vieh auf bestimmten stadteigenen Wiesen weiden zu lassen

- und konnte in dem zum Amtshaus zugehörigen Garten Gemüse für den eigenen Bedarf anbauen.

Zu seinen Pflichten gehörte es:

- das Bordell zu beaufsichtigen

- Gebühren von den Hübschlerinnen für die Stadt einzuziehen (die Gebühren wurden dazu verwendet, das die Frauen in Zeiten, in denen das Bordell geschlossen war, mit Dingen des täglichen Bedarfs versorgt werden konnten) 

-er mußte die Hübschlerinnen zum Kirchgang führen 

-für anständige Kleidung und ärztliche Hilfe, durch einen Arzt, sorgen.

-Außerdem gehörte ihm die einträgliche Wasenmeisterei, zu er die Reinigung der Straßen sowie die Leerung der Toiletten gehörte.

-Er durfte zwei Jagdhunde und zwei Hetzhunde halten, ein eigenes Pferd war ihm erlaubt.

-Es wurde ihm sogar, auf Nachfrage, wenn er Verwandte besuchen wollte, Urlaub gestattet.

-Er erhielt später die Amtsgewalt über kleinere Gemeinden im Stadtbreich und konnte, gegen eine saftige Gebühr, von anderen Städten "ausgeliehen" werden; er war sogar berechtigt, von den Fuggern ein Dienstgeld anzunehmen.

-In Religionssachen durfte er nicht tätig werden.

Er wurde nach einem festen Gehalt bezahlt und erhielt für Hinrichtungen, sowie für die Folter, ein nach einem Gebührenkatalog festgelegtes, zusätzliches Geld.

Seinen Nachfolgern wurde zusätzlich erlaubt, Tiere zu behandeln; ein anderer erhielt den Erlaubnis, eine Schenke zu betreiben.

Um die, unter Scharfrichtern begehrte, Anstellung bei der Stadt zu erhalten, waren auch Anforderungen an ihn als Mensch gestellt. Er mußte fromm sein, für die religiöse Erziehung seiner Kinder sorgen, rechtschaffen, kein Alkoholiker und barmherzig sein. Die Stadt kontrollierte dies scharf.

Um die Begegnung und Berührung mit ihm in Ausübung seiner Pflichten weitestgehend zu vermeiden, gab es den sog. "Henkerssteg", der zum Folterkeller führte.

Die erste Hinrichtungsstätte lag unweit seiner Wohnung, vor einem der Stadttore, dem "Kempter Tor", außerdem gab es Galgenstätten in Künersberg und am sog. "Neubruch". Später wurde am heutigen "Galgenberg" ein Schafott, der Rabenstein, errichtet.

Soweit die Situation des Scharfrichters in meiner Heimatstadt, doch dies war mir nicht genug. 
Doch mein Wissendurst war angestachelt und ich informierte mich weiter.

Hier Bilder des Amtshauses und des Bordells, heute verschämt "Frauenhaus" genannt.

Klicke auf die Grafik für eine größere Ansicht 

Name: Amthaus 2.jpg 
Hits: 0 
Größe: 52,5 KB 
ID: 1568

Klicke auf die Grafik für eine größere Ansicht 

Name: Amthaus 1.jpg 
Hits: 0 
Größe: 26,9 KB 
ID: 1565

Klicke auf die Grafik für eine größere Ansicht 

Name: Brigitte Bilder 1 020.jpg 
Hits: 0 
Größe: 97,8 KB 
ID: 1569

Klicke auf die Grafik für eine größere Ansicht 

Name: Amtshaus 4.jpg 
Hits: 0 
Größe: 97,7 KB 
ID: 1567

Klicke auf die Grafik für eine größere Ansicht 

Name: Amtshaus 3.jpg 
Hits: 0 
Größe: 22,3 KB 
ID: 1566