Sonntag, 15. Mai 2016

Der Scharfrichter in der Geschichte - quasi ein Vorwort

Mit der Figur des Scharfrichters machte ich eigentlich schon in meiner Kindheit Bekanntschaft.
Denn im ehemaligen Scharfrichterhaus meiner Heimatstadt wohnte eine Freundin meiner Großeltern und ich durfte manchmal mit, wenn sie ihre Freundin besuchten. Dort wurde ich, und das ist mir noch gut im Gedächtnis, auf eine etwas komische Weise, anders kann ich es nicht ausdrücken, gefragt, ob ich denn wüßte, was das für ein Haus sei und wer darin schon gewohnt habe. Mir war das eigentlich gleichgültig, denn mehr als die Frage interessierten mich die Kanarienvögel, die so lebendig waren und ein bischen sprechen konnten. Als ich dann ein gelangweiltes "Weiß ich nicht" zur Antwort gab, sagte man mir, dass dies das Scharfrichterhaus sei und darin der Henker gewohnt habe. Auch das interessierte mich nicht, sondern immer noch die Piepmätze, und so antwortete ich lapidar: "Ach so." 
Die Erwachsenen nickten befriedigt, weil ich so schön zugehört und aufgepaßt hatte; was wußten die schon von meinem Interesse an den Kanarienvögeln? 
Ich weiß bis heute nicht, warum es ihnen so wichtig war, mir auf beinahe geheimnisvolle Weise von Haus und ehemaligem Bewohner zu erzählen. Geschichtliches Interesse war es sicher nicht, das war niemandem wichtig, sondern wohl eher ein gewisses Bedürfnis, einem kleinen Mädchen ein bischen Angst zu machen oder zumindest für einige Gruselschauer zu sorgen.

Aber ich wurde älter und ein schier unstillbares Interesse an Geschichte, zunächst die meiner Heimatstadt, später auf viele andere Bereiche, geweckt. 
Meine Neugier zu dieser geschichtlich düsteren Figur wurde über die Lektüre der zweibändigen Geschichte meiner Heimatstadt geweckt. Dort schrieb der Historiker über Hans Leycham, den damaligen Scharfrichter. Eben diesem wurde in seinem Bestallungsbrief eine Kündigungsfrist gesetzt: kündigt er, so beträgt sie ein halbes Jahr, kündigt ihm die Stadt, ein Vierteljahr.
Kündigungsfrist??

Das Bild des Henkers, so wie wir es heute vor Augen haben, entstammt vorwiegend der wild-romantischen Vorstellung des 19.Jahrhunderts: der hochgewachsene, düstere Mann, in Schwarz gekleidet, das Richtschwert in der Hand. Der Mann, der ein wohliges Grausen über den Rücken jagt, auf Grund seiner muskulösen Erscheinung ein heimlicher Frauenschwarm und Frauenverführer.
Doch nichts an dieser wild-romantischen Darstellung, die sehr wohl erotische Untertöne trägt, entsprach der Realität.
Auch ich hatte zu diesem Zeitpunkt dieses klischeehaftes Bild vom düsteren, schwarz gekleideten Mann im Hinterkopf, der am Rande der Gesellschaft stand und gefürchtet war.
Meine Neugier war geweckt und so begann ich, genauer nachzuforschen und dabei war mir die zweibändige Stadtgeschichte zunächst eine große Hilfe.

Ich staunte,denn 

- dem Scharfrichter war nicht nur diese Kündigungsfrist gesetzt, wohl einmalig zu diesem Zeitpunkt, sondern er bekam in seinem Bestallungsbrief, der unbefristet war, im Gegensatz zu vielen anderen Städten die ihn zunächst nur befristet ausgaben

- die Wohnung im Amthaus zugewiesen, das sich hier innerhalb der Stadtmauern befand, im "unreinen" Viertel, gegenüber dem Bordell sowie in nächster Nachbarschaft zu den Leinewebern.
Außerdem verfügte das Amtshaus später über ein eigenes Bad.

- hatte das Recht, sein Vieh auf bestimmten stadteigenen Wiesen weiden zu lassen

- und konnte in dem zum Amtshaus zugehörigen Garten Gemüse für den eigenen Bedarf anbauen.

Zu seinen Pflichten gehörte es:

- das Bordell zu beaufsichtigen

- Gebühren von den Hübschlerinnen für die Stadt einzuziehen (die Gebühren wurden dazu verwendet, das die Frauen in Zeiten, in denen das Bordell geschlossen war, mit Dingen des täglichen Bedarfs versorgt werden konnten) 

-er mußte die Hübschlerinnen zum Kirchgang führen 

-für anständige Kleidung und ärztliche Hilfe, durch einen Arzt, sorgen.

-Außerdem gehörte ihm die einträgliche Wasenmeisterei, zu er die Reinigung der Straßen sowie die Leerung der Toiletten gehörte.

-Er durfte zwei Jagdhunde und zwei Hetzhunde halten, ein eigenes Pferd war ihm erlaubt.

-Es wurde ihm sogar, auf Nachfrage, wenn er Verwandte besuchen wollte, Urlaub gestattet.

-Er erhielt später die Amtsgewalt über kleinere Gemeinden im Stadtbreich und konnte, gegen eine saftige Gebühr, von anderen Städten "ausgeliehen" werden; er war sogar berechtigt, von den Fuggern ein Dienstgeld anzunehmen.

-In Religionssachen durfte er nicht tätig werden.

Er wurde nach einem festen Gehalt bezahlt und erhielt für Hinrichtungen, sowie für die Folter, ein nach einem Gebührenkatalog festgelegtes, zusätzliches Geld.

Seinen Nachfolgern wurde zusätzlich erlaubt, Tiere zu behandeln; ein anderer erhielt den Erlaubnis, eine Schenke zu betreiben.

Um die, unter Scharfrichtern begehrte, Anstellung bei der Stadt zu erhalten, waren auch Anforderungen an ihn als Mensch gestellt. Er mußte fromm sein, für die religiöse Erziehung seiner Kinder sorgen, rechtschaffen, kein Alkoholiker und barmherzig sein. Die Stadt kontrollierte dies scharf.

Um die Begegnung und Berührung mit ihm in Ausübung seiner Pflichten weitestgehend zu vermeiden, gab es den sog. "Henkerssteg", der zum Folterkeller führte.

Die erste Hinrichtungsstätte lag unweit seiner Wohnung, vor einem der Stadttore, dem "Kempter Tor", außerdem gab es Galgenstätten in Künersberg und am sog. "Neubruch". Später wurde am heutigen "Galgenberg" ein Schafott, der Rabenstein, errichtet.

Soweit die Situation des Scharfrichters in meiner Heimatstadt, doch dies war mir nicht genug. 
Doch mein Wissendurst war angestachelt und ich informierte mich weiter.

Hier Bilder des Amtshauses und des Bordells, heute verschämt "Frauenhaus" genannt.

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